Tag 10 – Gedanken in der Nacht

27.01.2023

Ein Ying und Yang Gedanke der mir, vor allem bei Nachtwachen durch den Kopf geht:

„What the fuck am I doing here!?!“ 

 

Diese frage ist simultan mit zwei Emotionen verbunden. Meistens ist der erste:

„Geil, ich sitze hier auf einem Boot, mitten im Atlantic und es ist einfach Mega“. 

 

Der zweite ist:

„Oh mein Gott, ich sitze hier auf einem Boot mitten im Atlantic. Bin ich den Wahnsinnig? Hey, was war das den schon wieder für ein Geräusch. Boot knarzen oder ist etwas faul.“

 

  • Es ist 02:04 CET – Ich sage CET nicht um mit Segelbegriffe anzugeben, sondern weil Portugal eine Stunde hinter Salzburg ist. Ich musste heute deshalb vor einem Angelladen eine Stunde mir die Zeit totschlagen den es war nicht 15 sondern erst 14 Uhr. „Einem Angelladen“ fragt ihr? Jawohl, einen Angelladen. Ich wollte eigentlich nur einige Blinker für Pascal und seine Angel kaufen – wir Segeln seit 800 Meilen und haben mit seiner Ausrüstung noch keinen Fisch gefangen, aber nach einer Stunde Beratung bin ich aus dem Geschäft mit einer Angel, Spule und einige Blinker spaziert. Ein paar Blinker für ihn und ein paar für mich. Jetzt wird es einen Wettkampf. CH gegen USA (oder DE oder AT)… Morgen wird es losgehen. Let the best man win! Der Aussengrill wird mit dem ersten Fisch freilich eingeweiht.

 

  • Nachtwachen haben es wirklich in sich. Man sitzt am Steuerstand ganz alleine, prescht durch das Meer und sieht nur Schwarz um sich herum. Mein Boot ist wirklich kein Sontag’s Boot. Es fühlt sich so was von robust an und wir machen fast einen Vendee Globe Rekord. 7-10 Knoten Fahrt bei 15-20 Knoten Wind. Wenn man unsere Spur am Heck ansieht, ist es nur noch beeindruckend wie wir diese Wassermassen hinter uns lassen.
  • Tja, dort sitzt man, ganz alleine. Spürt die Kraft vom Wind wie es die Segel und das Boot voran treibt und das Kopfkino läuft und läuft. Meditieren geht nicht, die Augen müssen offen sein und es gilt Obacht zu halten. Lesen oder schreiben geht nur bedingt. Also, 3,2,1, Klappe und das Kino läuft.
  • Seit einigen Wochen denke ich an die „O’s“…. Und jetzt, wo wir genau dort sind wo es „O’s“ gibt, wird dieses Kino deutlich realer. Ich schäme mich nicht zu sagen ich etwas habe „A“ habe… Nicht viel, aber dieses mulmige Gefühl geht mir nicht aus dem Sinn. Vor allem Nachts. „Was war dieses Geräusch – kenne ich es? Gehört es zum Segeln? Lieber noch einen Blick ‚um a dum‘. Oder doch lieber nur in das Navi schauen.“ Es war nichts, eh klar. Vielleicht einen kleinen Schnaps für die Nerven. Scheisse, es gilt natürlich Alkoholverbot. Eh klar. Eine kleine Runde spazieren. 10 Sekunden später sich ich wieder hinter dem Steuerrad. Die Wege sind klein auf so einem Boot.

 

  • Ein paar Fakten:

Im Jahr 2020 waren über 200 Segelboote von den O’s betroffen. Circa 20% hatten Schäden abbekommen. Zwei Boote sind gesunken. Ein Mannschaft ist auf ihrer Rettungsinsel geflüchtet und würde dann von einem Fischerboot aufgegabelt, das andere würde von einem anderen Segelboot gerettet. Hut ab! Ein Boot versinkt nach einem Angriff und ein anderes Segelboot kommt zur Rettung und bringt sich zwangsläufig dadurch natürlich selber in Gefahr. Das nenne ich Mut. 

Lagemeldung: Um mich herum nur schwarz. Kein Boot in Sicht. Kein Boot zu sehen auf unseren AIS (Schiffserkennung), d.h. kein Boot innerhalb 20-30 Seemeilen von uns. Wenn ein Boot 10 Knoten fährt dauert es drei Stunden bis es bei uns ist. Ob die Flugrettung kommt? Ob die Küstenwache kommt. I dont know.

 

  • Ich habe heute Abend jeden erdenklichen guten Gedanken mir durch den Kopf gehen lassen. Positive Vibes. Um die Meeres Götter positive zu beeinflussen, bekam der Atlantic etwas französischen Wein, portugiesischen Bier und Österreichischen Schnaps (Danke Stephan) ins Meer geschüttet.
  • Bisher hat es gut funktioniert. Leider dauert es noch mindestens 12 Stunden bis wir aus dem „O“ Gebiet heraus sind.

Tja, wird scho werden, oder?

Schau ma mal.

Jetzt gibt es noch einen Teller Chinese Instant Nudelsuppe und ein Bier. Eher noch zwei. Sage es aber nicht unseren Skipper bitte.

🙂

  • PS: Instant Suppe auf See heisst, Schüssel in den Spülbecken, Nudeln hinein, Wasser drauf. Wichtig! Die Schüssel ins Waschbecken stellen, sonst hast a sauerei. Rate Mal wie ich das gelernt habe.
  • Sechs Stunden später: Zweite Nachtwache von 6-8 Uhr in der Früh. Mit Sonnenschein ist alles besser. Noch 6-8 Stunden bis wir hier draussen sind.